„Wir würden uns freuen, Sie ab Januar in unserem Team begrüßen zu dürfen!“ dieser Satz löst bei mir totale Freude und nacktes Entsetzen zugleich aus.
Ich freue mich, auf neue berufliche Herausforderung, meine Weiterentwicklung. Heraus aus der Komfortzone, Neues lernen, neue Menschen, neue Abläufe.
Und im nächsten Moment denke ich sofort, „scheiße, wohin mit dem Babymann???“
Denn wie ihr wisst, gibt es weit und breit keinen Krippenplatz für den Mini. Und dann soll ich jetzt auch noch einen Monat früher meine Elternzeit beenden?
Prima, dann ruf ich direkt mal meinen neuen Chef an: „Heute ist Ihr Glückstag! Sie bekommen 2 zum Preis von 1!“ Den Mini nehme ich dann fortan mit ins Büro und setze ihn an einen winzigen Schreibtisch. Er wird bestimmt „Mitarbeiter des Monats“, jeden Monat!
Nee, das ist keine Lösung! Tagelang wälzen der Kindsvater und ich die neue Problematik. Überlegen Lösungen, verwerfen sie sofort wieder.
„Gut“ beschließt das Familienoberhaupt, „dann muss ich eben noch ein paar Monate Elternzeit nehmen!“ Ich finde die Idee großartig, sein Chefarzt … nicht! Und so kommt der Stein plötzlich ganz schnell ins Rollen, Telefonate werden geführt und am nächsten Tag ist eine E-Mail in meinem virtuellen Briefkasten:
„Herzlichen Glückwunsch, wir haben einen Krippenplatz für Ihren Sohn!“ Na geht doch. Es ist zwar traurig, aber Vitamin B ist wirklich Gold wert!
Dann hätten sich ja alle Probleme in Luft aufgelöst, werdet ihr nun denken. Nicht ganz. Denn der Krippenplatz steht erst im Februar zur Verfügung. Vier Wochen zu spät.
Nun betritt der Held dieser Geschichte die Bühne; mein Bruder! Bem (eigentlich Benjamin, doch wie er zum Sptitznamen kam ist eine andere Geschichte).
Surfer, Snowboarder, Skater, Sandwichkind und Lebemann. Gibt es ein besseres Vorbild für einen kleinen Jungen?
Mein Bruder ist drei Jahre jünger als ich. Als Kind hatte er meistens Flausen im Kopf, als Erwachsener … auch. Wir waren in unserer Kindheit so ein richtig typischen Geschwisterpärchen. Es ging oft nicht miteinander, aber ohne den anderen schon gar nicht. Wir haben uns um den Fernsehsessel geprügelt und darauf bestanden in einem Doppelstockbett zu schlafen, selbst als jeder bereits sein eigenes Zimmer hatte. Wir haben Partys gefeiert, und Festivals gerockt. An ihm versuchte ich das erste Mal meine Haarschneidekünste, danach nie wieder! Wir fuhren gemeinsam einen alten Opel Astra, bis er uns unter dem Hinter wegrostete. Wir sind gemeinsam verreist.
Das Reisen gehört zu Bem’s großen Leidenschaften. Nachdem sein Jahr in Neuseeland nun schon wieder viel zu lange her ist, gönnt sich mein Bruder gemeinsam mit seiner Freundin auch jetzt eine längere Reise. Bis Dezember werden wir die beiden wohl nicht mehr sehen. Das erzähle ich euch nicht, um euch die Nasen lang zu machen (na vielleicht ein wenig, denn ich bin schon etwas neidisch auf 10-Monate-Weltentdecken), sondern wegen der Wendung in dieser Geschichte.
Die Reise beginnt erst Mitte Februar. Im Januar stand Chillen auf dem Plan (wie die jungen Leute so schön sagen). Und dann kam ich, beziehungsweise der Babymann!
Ich musste keine große Überzeugungsarbeit leisten, er hat sofort zugesagt. Familie eben. Man hält zusammen.
Der erste Arbeitstag stand an. Ich war aufgeregt, wie vorm ersten Schultag! Bin ich den neuen Anforderungen gewachsen? Werde ich mich mit meinen Kollegen verstehen. Und am wichtigsten; kommen die beiden Jungs zu hause zurecht?
Als ich am ersten Tag die Haustür verlasse stecken sie schon bis zu den Nasenspitzen in einem wichtigen Bauprojekt aus Duplo-Steinen. Der Vormittag im neuen Büro vergeht wie im Flug. Ich schaue auf mein Handy, um die Lage zu checken. Tatsächlich, eine neue WhatsApp von meinem Bruder:
11:48 Uhr
„Er schläft. 😎“
Und ab da höre ich auf mir Sorgen zu machen.
Jeden Morgen geht die Tür auf, mein Bruder kommt rein, der Babymann streckt die Ärmchen nach ihm aus, kuschelt sich an und fragt „Na du?“
Mein Herz, es schmilzt bei diesem Anblick. Jedes mal!
Klar, da läuft nicht immer alles 100% pädagogisch wertvoll.
Als ich den Babymann frage, was er heute mit seinem Onkel machen will antwortet er, wie aus der Pistole geschossen, „Quatsch!“
Glaube ich! Auf’s Wort.
Mittagessen gibt es auch schon mal um 10 Uhr, weil der Babymann seinen Onkel in die Küche schleift und mit niedlicher Stimme „Magag!“ einfordert (babymännisch für „Mittag“). Und sein Onkel befolgt diese Anweisung dann auch.
Dafür kann der Mini aber jetzt auch knallhart einen Bagger von einem Radlader unterscheiden (den Unterschied kenn ich nicht mal)!
Nun sind die vier Wochen mit dem Tagesonkel Bem rum. Besser hätten wir es nicht treffen können.
Ich ende mit den weisen Worten des kleinen Außerirdischen Stitch:
„Ohana heißt Familie. Familie heißt, dass alle füreinander da sind und aufeinander aufpassen“
Danke, Tangesonkel Bem!